Donnerstag, 28. März 2024

BR201: Der 190er begründet die Geschichte der C-Klasse

Vor 35 Jahren feiern die Mercedes-Benz Typen 190 und 190 E Premiere. Damit beginnt ein völlig neues Kapitel in der jüngeren Geschichte der Stuttgarter Marke. Denn die damals als Kompaktklasse bezeichnete Baureihe W 201 erweitert das Produktprogramm um eine vierte Baureihenfamilie neben den Luxuslimousinen der S-Klasse, den Typen der oberen Mittelklasse (die spätere E-Klasse) und den SL-Sportwagen. Heute ist der von 1982 bis 1993 gebaute W 201 ein faszinierender Klassiker mit der Frische eines begehrten Youngtimers. Seine Gene trägt die aktuelle C-Klasse der Baureihe 205 so vielfältig wie noch nie in die Zukunft: als Limousine, T-Modell, Coupé und Cabriolet.

Der Baby Benz

Das herausragende technische und ästhetische Niveau der W 201 Limousinen verdeutlicht, welchen hohen Stellenwert Mercedes-Benz der Neuentwicklung einräumt. Ihr Debüt feiert die umgangssprachlich auch „190er“ oder „Baby-Benz“ genannte Baureihe mit zwei Vierzylinder-Ottomotor-Typen: 190 heißt die zunächst 66 kW(90 PS) starke Vergaser-Variante. Der 190 E mit Benzineinspritzung leistet 90 kW (122 PS).

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Mercedes-Benz baut die Modellpalette in der Folge konsequent aus, die Vielfalt innovativer Typen ist groß. Einige Beispiele: Als „Flüster-Diesel“ wird beispielsweise der 190 D (53 kW/72 PS, ab 1983) bekannt, der erste Serien-Personenwagen mit schalldämmender Triebwerkskapselung. Neue Leistung für den Selbstzünder bringt ab 1986 – bis Herbst 1987 allerdings ausschließlich für den amerikanischen Markt – die Fünfzylinder-Variante 190 D 2.5 Turbo mit (90 kW/122 PS). Für den starken Sechszylindertyp 190 E 2.6 (122 kW/166 PS, ebenfalls ab 1986) meistern die Ingenieure die technische Herausforderung, den Reihensechszylinder M 103 im Motorraum des W 201 zu installieren.

Mit wegweisender Vierventiltechnik erzielt der 190 E 2.3-16 (136 kW/185 PS) bereits vor seiner Präsentation im Herbst 1983 sportliche Erfolge: Drei Prototypen stellen auf dem Rundkurs im süditalienischen Nardò Langstreckenweltrekorde über 25.000 Kilometer, 25.000 Meilen und 50.000 Kilometer mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von nahezu 250 km/h auf.

 

Von der Straße auf die Rennstrecke

Auch bei der Eröffnung des neuen Nürburgrings zeigt der 190 E 2.3-16 seine sportliche Leistungsfähigkeit: 20 Rennfahrer weihen am 12. Mai 1984 mit einem Rennen auf diesem Fahrzeug die neue Rundstrecke ein. Sieger ist der damals nur Insidern bekannte brasilianische Rennfahrer Ayrton Senna. Das Top-Modell der Baureihe ist schließlich die sportliche Hochleistungslimousine 190 E 2.5-16 Evolution II (173 kW/235 PS). Sie stellt auch die Basis der höchst erfolgreichen Rennsport-Tourenwagen dar, die von 1990 an in der DTM an den Start geht.

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Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft (DTM), 11. Oktober 1992. Klaus Ludwig, Gewinner der DTM 1992, auf AMG-Mercedes 190 E 2.5-16 Evolution II Rennsport-Tourenwagen. Den zweiten und dritten Platz belegen Kurt Thiim und Bernd Schneider, beide ebenfalls auf AMG-Mercedes. (DTM-Fahrer von links: Jacques Laffite, Jörg van Ommen, Bernd Schneider, Klaus Ludwig, Kurt Thiim, Roland Asch, Ellen Lohr und Keke Rosberg)

Die Triumphe der Stuttgarter Marke in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft der 1980er- und 1990er-Jahre sind eng mit dem W 201 verbunden: Von 1988 bis 1993 werden Rennsport-Tourenwagen auf der Basis dieser Baureihe erfolgreich in der DTM mit Werksunterstützung eingesetzt. In dieser Zeit holt Mercedes-Benz zwei Markenmeisterschaften (1991 und 1992), und Klaus Ludwig wird auf 190 E 2.5-16 Evolution II im Jahr 1992 DTM-Meister. Dazu kommen vier Vizetitel und drei dritte Platzierungen.

Zunächst erhält der 190 E 2.3-16 im Jahr 1985 die Homologation für die Rennen der Gruppen A und N. Mit diesem Typ starten 1986 Privatteams in der DTM, und Volker Weidler holt auf Anhieb den Vizetitel. Die Saison 1988 markiert dann endgültig den offiziellen Wiedereinstieg von Mercedes-Benz in den Rennsport. In diesem Jahr wird Roland Asch DTM-Vizemeister. Ab 1989 startet in der DTM der 190 E 2.5-16 Evolution Rennsport-Tourenwagen. Vom Jahr 1990 an folgt ihm der 190 E 2.5-16 Evolution II. Und in der Saison 1993 schließlich wird der AMG-Mercedes 190 E Klasse 1 eingesetzt – alle auf Basis des W 201. Die weiteren DTM-Fahrzeuge von Mercedes-Benz setzen diese Erfolgsgeschichte spektakulär fort.

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Sicherheit zählt

Die Kompaktklasse von 1982 ist ein Revolutionär der Fahrzeugsicherheit. Denn ihre Entwickler setzen sowohl die aktive wie die passive Sicherheit konsequent auf dem hohen Niveau von Mercedes-Benz um – das ist in dem für die Stuttgarter Marke vergleichsweise kleinen und leichten Fahrzeug eine besondere Herausforderung. Ein Höhepunkt ist dabei die von Dr. Kurt Enke, Alf Müller und Manfred von der Ohe entworfene Raumlenker-Hinterachse mit fünf zierlichen Lenkern an jeder Seite. Sie ist bis heute weltweit eine Standardkonstruktion im Automobilbau.

Baby Benz 201 beim Crashtest
Mercedes-Benz Baureihe W 201, Crashtest

Für die passive Sicherheit ist die Verbindung von Leichtbau mit hoher Crashsicherheit entscheidend. Die Dachkonstruktion des W 201 mit nach außen gelegten Dachlängsträgern wird wegen ihres geringen Gewichts bei überragender Stabilität zum Vorbild weiterer Mercedes-Benz Baureihen. Erstmals kommt in der Kompaktklasse auch eine Gabelträgerstruktur mit definierter Verformbarkeit der konischen Gabelträger aus hochfesten Blechen zum Einsatz – für exzellentes Crashverhalten insbesondere bei einem versetzten Frontalaufprall.

Das Design des W 201, für welches Bruno Sacco verantwortlich zeichnet, setzt ebenfalls Maßstäbe. Diese Baureihe, die ein ganz neues Segment im Programm der Marke begründet, setzt mit ihren modernen Linien ein Signal. Zugleich wird die Limousine aerodynamisch optimal ausgelegt. Mit einem Luftwiderstandsbeiwert von cW=0,34 hat sie bei ihrer Premiere 1982 die beste Aerodynamik aller Mercedes-Benz Limousinen.

 

Youngtimer mit Geschichte

Die direkte Vorgeschichte des W 201 beginnt 1973, als Mercedes-Benz ältere Ideen für ein Fahrzeug unterhalb der beiden etablierten Klassen aufgreift. Impulse dazu kommen auch aus Nordamerika. Dort werden die Anforderungen an einen sparsamen Flottenverbrauch verschärft. Außerdem ist das Interesse für einen kompakten Zweitwagen mit dem Komfort- und Sicherheitsstandard eines Mercedes-Benz Personenwagens groß.

Im Januar 1974 sagt Chefingenieur Prof. Dr. Hans Scherenberg über das neue Fahrzeug: „Klar ist […], dass es sich um einen typischen Mercedes-Benz handeln muss.“ Scherenberg führt hier unter anderem Fahrkultur und Sicherheit als prägende Mercedes-Benz Eigenschaften auf. Und im ersten Lastenheft, das wenig später erstellt wird, heißt es, der W 201 solle sich von anderen Fahrzeugen der Mittelklasse „aufgrund der unter dem Markensymbol vom Kunden erwarteten Eigenschaften bezüglich Qualität, Sicherheit und Fahrkultur bewusst absetzen“. Den Serienanlauf erlebt der W 201 in Sindelfingen, bevor die Produktion auch im Mercedes-Benz Werk Bremen anläuft. Die Produktionsanlagen dort werden für die neue Baureihe erheblich erweitert. Bis heute ist das Werk Bremen das Hauptwerk für die C-Klasse, die mit der 1993 eingeführten Baureihe 202 zur Nachfolgerin des W 201 wird.

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Mercedes-Benz Kompaktklasse-Limousine, Baureihe W 201, Sportline-Ausführung.

Die Idee eines kompakten, anspruchsvollen Personenwagens geht jedoch noch weiter zurück in die Markengeschichte. So gehören schon das Benz Velo (1894 bis 1900, erstes in Großserienfertigung gebautes Automobil der Welt) und der Mercedes 8/11 PS (1901 bis 1903) zu den Wegbereitern der Kompaktklasse. Zu den wichtigen Vorläufern in diesem Marktsegment gehört auch der Mercedes-Benz 170 (W 15, gebaut von 1931 bis 1936). Auch seit den 1950er-Jahren entwickelt Mercedes-Benz immer wieder Konzepte für kompaktere Fahrzeuge.

Der W 201 führt die Traditionslinien all dieser Ideen und Konzepte in einem technisch wie ästhetisch attraktiven Fahrzeug zusammen. Er begründet die Erfolgsgeschichte der Mercedes-Benz C-Klasse und nimmt die Dynamik der Modelloffensive vorweg. Von der Baureihe W 201 werden bis August 1993 insgesamt 1.879.630 Fahrzeuge produziert.

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