Der kompakte Keil in leuchtendem Orange, intern „Weißherbst“ genannt, verspricht Kraft, Eleganz und Schnelligkeit. C111 heißt die futuristische Studie, die Mercedes-Benz im September 1969 auf die Internationale Automobilausstellung (IAA) nach Frankfurt mitgebracht hat. Technik wie Design weisen eindeutig in Richtung Zukunft. Staunend scharen sich die begeisterten Messebesucher um den Sportwagen, der Entwurf fasziniert, polarisiert. Steht hier der würdige Nachfolger des berühmten 300 SL Flügeltürers? Der Stil des Wagens, die sportliche Linienführung und die klassischen Flügeltüren versprechen den Liebhabern der Automobile mit Stern auf der Motorhaube genau das. So geschieht es bei der Premiere des C111 in Frankfurt vor 35 Jahren. Im Frühjahr 1970 ist dann der noch elegantere C111-II auf dem Autosalon von Genf zu sehen. Jetzt schicken Interessenten sogar Blankoschecks nach Stuttgart, um sich einen der Wagen zu sichern.
Ein Wankelmotor als Antrieb

Die Fahrleistungen der C111 überzeugen schon mit dem Dreischeiben-Motor vom Start weg. Das Wankelaggregat holt im Jahr 1969 aus 600 Kubikzentimetern Kammervolumen je Kreiskolben insgesamt 280 PS und bringt den Wagen auf eine Höchstgeschwindigkeit von 260 km/h, für den Sprint von 0 auf 100 km/h vergehen 5 Sekunden. Den C111-II von 1970 treibt dann der große Vierscheiben-Wankel an. Dieser Motor leistet 350 PS und erlaubt 300 km/h Höchstgeschwindigkeit. Auf 100 km/h beschleunigt dieser zweite C111 in höchst respektablen 4,8 Sekunden. Im C111-I laufen einige Aggregate mit der kompliziert einzustellenden Doppelzündung, der Vierscheibenmotor wird dann ausschließlich mit Einfachzündung gebaut. Beide Motoren sind mit Direkteinspritzung ausgerüstet.
Konstruktive Probleme des Drehkolbenprinzips, vor allem in der Motormechanik, bekommt die Entwicklungsabteilung von Mercedes-Benz in den Griff. Doch der schlechte Wirkungsgrad des Wankelmotors durch die lang gestreckten, veränderlichen Brennräume des Drehkolbenprinzips lässt sich nicht mit technischen Modifikationen ausräumen: Dieses Problem ist schlicht durch die Konstruktion bedingt, weil der Kraftstoff im Wankelmotor im Raum zwischen einer konvexen Seite des sich drehenden Kolbens und der konkaven Wand des Kolbengehäuses verbrennt statt in der zylindrischen Brennkammer eines Hubkolbenmotors. Die veränderlichen, nicht kompakten Brennräume des Wankels sorgen für eine schlechtere thermodynamische Ausnutzung des gezündeten Treibstoffs im Vergleich zum Hubkolbenmotor. Das Ergebnis ist ein deutlich höherer Verbrauch bei gleicher Leistung. Den großen Durst des Wankelprinzips haben auch die Motoren der beiden ersten C111. Weil außerdem die Schadstoffbelastung im Abgas der Wankelmaschinen zu hoch ist, gibt Mercedes-Benz die Arbeit an dieser Motorvariante trotz der beeindruckenden Laufruhe des Aggregats und der kompakten Bauweise 1971 auf.
Unser 4-Scheiben-Motor mit Benzineinspritzung war das erreichbare Optimum dieses Triebwerkkonzeptes. Die Mehrscheiben-Ausführung verlangte zwingend den Umfangeinlass für Ansaugluft- und Abgaskanäle. Die schwierigen Probleme der Motorkühlung und der Motormechanik konnten wir technisch lösen. Das Hauptproblem des Konzepts, der schlechte thermodynamische Wirkungsgrad, blieb jedoch. Die lang gestreckten, wenig kompakten Brennräume führten zu schlechter Kraftstoffausnutzung, damit zu hohem Kraftstoffverbrauch und zu hohen Schadstoffwerten in den Motorabgasen. Diese Nachteile waren konzeptbedingt.
Erprobung des Dieselmotors
Dann macht im Herbst 1973 ein Boykott der Erdöl fördernden Länder, die so genannte „Ölkrise“, das bisher so günstige Öl zur kostbaren Ressource. Von der Fahrzeugentwicklung werden jetzt neue Motoren verlangt, die vor allem sparsam mit dem teuren Treibstoff umgehen. Dieselmotoren erfüllten mit ihrem geringen Verbrauch grundsätzlich diese Anforderung. Doch den Selbstzündern hängt das Vorurteil nach, langsam zu reagieren und zu laut zu sein. Für beide Untugenden hat es sicher Beispiele in der Automobilgeschichte gegeben. Doch mittlerweile ist der Dieselmotor ein Antrieb, der auch kultiviert aufzutreten vermag und für sportliche Personenwagen durchaus in Frage kommt.
Die nächste Karriere als Rekordwagen

Der Triumph des äußerlich kaum modifizieren C111-II in Nardo spornt die Entwickler zu neuen Höchstleistungen an. Diesmal entwerfen sie keine Studie für einen Sportwagen mit Straßenzulassung, sondern einen puren Rennwagen, getrimmt auf die Jagd nach Geschwindigkeitsrekorden – den C111-III. 1977 wird an dem neuen Fahrzeug gebaut, das schmaler ist als die ersten C111, einen längeren Radstand hat und mit seiner Vollverkleidung sowie Heckflossen eine perfekte Aerodynamik bietet. 1978 steht der C111-III an der Startlinie in Nardo. Wieder grollt ein Dieselmotor unter dem diesmal silbern lackierten Kunststoff der Karosserie. Doch obwohl das Aggregat noch auf der Serienausführung basiert, leistet der Motor jetzt 230 PS und bringt den Stromlinienwagen auf Geschwindigkeiten, die weit jenseits der 300 km/h liegen. Neun absolute Weltrekorde holt Mercedes-Benz mit diesem Silberpfeil der späten 1970er Jahre.

Maßstäbe für das Design moderner Sportwagen
Schon die ersten C111 haben den Kosename „rollendes Versuchslabor“ nicht verdient. Denn so sehr dieses Auto auch höchst innovativer Teileträger war, setzt das Coupé doch gleichzeitig Akzente für das Design moderner Sportwagen.
Die Flügeltüren, die als konstruktives Element über alle vier Baureihen des C111 hinweg erhalten bleiben, markieren die Stellung des charismatischen Versuchsfahrzeugs im Stammbaum der legendären Mercedes-Benz Sportwagen. Zum Kennzeichen von Mercedes-Benz entwickeln sich die am Dach angeschlagenen Portale dank des filigranen 300 SL (Typ W194), der 1952 als Rennwagen präsentiert und von 1954 bis 1957 als Sportwagen mit Straßenzulassung (W198/I) in gerade einmal 1400 Exemplaren gebaut wird. In dem Coupé, das über dem Gitterrohrrahmen eine umwerfende Blechhaut trägt, arbeitet der modifizierte Reihensechszylinder des Typ 300 „Adenauer-Mercedes“.
Rudolf Uhlenhaut, Leiter der Versuchsabteilung für Personenwagen bei Mercedes-Benz und Schöpfer des 300 SL, krönt die Entwicklung des rasanten Sportwagens 1955 mit dem 300 SLR. Die Motorisierung dieses „Uhlenhaut-Coupés“ basiert auf dem offenen 300 SLR Rennsportwagen, in dem Stirling Moss und Denis Jenkinson 1955 die Mille Miglia gewinnen: der Sportwagen wird von dem Reihenachtzylinder der aktuellen Rennwagen des Hauses angetrieben, doch zur Bewährungsprobe der SLR-Coupés bei dem mittelamerikanischen Langstreckenrennen der Carrera Panamericana kommt es nicht mehr.
Die Flügeltüren faszinieren bis heute

Übersicht der Weltrekorde
Rekorde mit dem C111-II-Diesel
Distanz | Geschwindigkeit | Distanz | Geschwindigkeit | Dauer | Geschwindigkeit | |
---|---|---|---|---|---|---|
10 km | 220,619 km/h | 10 Meilen | 227,353 km/h | 1 h | 253,770 km/h | |
100 km | 251,148 km/h | 100 Meilen | 252,875 km/h | 6 h | 252,578 km/h | |
500 km | 254,086 km/h | 500 Meilen | 252,930 km/h | 12 h | 253,616 km/h | |
1.000 km | 253,307 km/h | 1000 Meilen | 252,737 km/h | 24 h | 253,030 km/h | |
5.000 km | 252,903 km/h | 5.000 Meilen | 252,540 km/h (Weltrekord) | |||
10.000 km | 252,249 km/h (Weltrekord) | 10.000 Meilen | 251,798 km/h (Weltrekord) |
Rekorde mit dem C111-III-Diesel
Distanz | Geschwindigkeit | Distanz | Geschwindigkeit | Dauer | Geschwindigkeit | |
---|---|---|---|---|---|---|
100 km | 316,484 km/h | 100 Meilen | 319,835 km/h | 1 h | 321,843 km/h | |
500 km | 321,860 km/h | 500 Meilen | 320,788 km/h | 6 h | 317,796 km/h | |
01.000 km | 318,308 km/h | 01.000 Meilen | 319,091 km/h | 12 h | 314,463 km/h |
Der C111 in der Presse
Während meiner ersten Fahrt fiel mir sofort die Ruhe des Antriebsaggregats auf. Es war viel ruhiger als beispielsweise in einem Lamborghini Miura mit 12-Zylinder-Motor, dabei aber nicht so gedämpft wie der Ford-V8 im De Tomaso Mangusta. Als der Motor hochdrehte, klang es fast wie ein Motorrad, und es ging weich, aber stetig voran bis zu einem viel zu früh erscheinenden Hochschalten bei 7000/min.
Das Fahrzeug bietet eine unerreichbare Kombination aus Komfort und Handling, und im zweiten Punkt zählt es ganz sicherlich in die Kategorie der Rennwagen.
Die mechanische Laufruhe des Wankel-Aggregats und die fast völlige Abwesenheit von Windgeräuschen verführen zunächst zu einer völligen Fehleinschätzung der wirklichen Geschwindigkeit. Man glaubt, 150 oder 160 zu fahren, aber der Blick auf den Tacho belehrt einen schnell, dass es 240 km/h sind. 7000/min im vierten Gang entsprechen übrigens 226 km/h.
Video
Bildquellen
- c111:I_2: MB-Baureihen.de
- c111:I: MB-Baureihen.de
- C111:III: MB-Baureihen.de
- c111_IIII: MB-Baureihen.de
- c111_4: MB-Baureihen.de
- c111_5: MB-Baureihen.de
- c111_all: MB-Baureihen.de